Frauke Rörden

 „Auf die Haben-Seite gucken!" Diesen Satz eines Dozenten während meiner Ausbildung habe ich mir gemerkt. Anstatt innerlich immer wieder aufzuzählen, was ich alles nicht kann, sollte ich mich auf das Gelungene und Gelernte besinnen und meinen Gaben vertrauen. An diesen Rat habe ich mich gehalten: meine Präsentation gelang und ich war von mir selbst überrascht. Das war eine gute Erfahrung.

Bis heute habe ich den Satz mit in meinen Alltag genommen. Manchmal sage ich ihn mir selbst, wenn ich mit herausfordernden Situationen konfrontiert bin. Manchmal sage ich ihn auch anderen: Im Krankenhaus treffe ich Menschen, denen das Leben besonders anspruchsvoller Aufgaben stellt. Manche müssen ihr Leben neu sortieren und erstmal herausfinden, was sie noch können und was sie hält.

Auf die Haben-Seite gucken – Vielleicht ist es das, was Jesus meinte, als er zu seinen Jüngerinnen und Jüngern sagte: „Wem viel gegeben ist, bei dem wird man viel suchen; und wem viel anvertraut ist, von dem wird man umso mehr fordern." (die Bibel, Lukas 12, 48b) Ja, das Leben fordert uns. Manchmal sind wir auch überfordert. Da gibt es nichts schönzureden. Aber wir sollen zuerst auf das gucken, was Gott uns an Gaben, Begabungen und Ressourcen geschenkt und anvertraut hat. Dann leitet uns nämlich nicht die Angst vorm Versagen, sondern das Vertrauen, dass uns das Nötige gegeben wird. Diese Blickrichtung macht Mut, Herausforderungen anzunehmen. Viele haben das schon erfahren.

Übrigens: Mein Dozent hat damals vermutlich gar nicht gemerkt, wie sehr und nachhaltig mich seine Worte ermutig haben. Aber für mich sagte er das richtige Wort im richtigen Moment.

Daher denke ich heute: Scheuen wir uns nicht, einander zu ermutigen, miteinander auf die Haben-Seite zu schauen und auf das, was gelingt, mit gegenseitigem Respekt und Liebe! Dann helfen wir einander, den Anforderungen der Zukunft zu begegnen. Wer weiß, was daraus alles erwachsen kann.